Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist 2009 mit 566 Tsd. deutlich gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr wurden rund 50 Tsd. Ausbildungsverträge weniger abgeschlossen – ein Minus von 8,2%. Besonders markant ist der Rückgang im Osten (neue Länder und Berlin), wo 13% weniger Jugendliche eine Lehre antraten. Aber auch Länder im Westen sind vom Rückgang betroffen; die Neuabschlüsse verringerten sich hier um insgesamt 7,1%. Deutschlandweit verzeichneten die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) für 2009 ein Defizit von rund 66 Tsd. Lehrstellen; ein Jahr zuvor betrug es noch 77 Tsd., 2007 belief sich die Lücke sogar auf 132 Tsd. (BIBB 2010).
Wirtschaftskrise und demographischer Wandel
Vor allem zwei Einflussfaktoren bestimmen die aktuelle Situation auf dem Lehrstellenmarkt: zum einen die Auswirkungen der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise und des Konjunktureinbruchs mit einem deutlichen Rückgang an betrieblichen Ausbildungsstellen und zum anderen der demographische Wandel, der sich jetzt immer deutlicher auch in rückläufigen Schulabgängerzahlen niederschlägt. Beide Faktoren haben derzeit gegenläufige Effekte auf den Ausbildungsmarkt und neutralisieren sich weitestgehend. So ist die Einmündungsquote für 2009 in Höhe von 64,8%, die sich rechnerisch aus der Zahl der neuen Lehrverträge in Relation zur Zahl der Schulabgänger und Schulabgängerinnen berechnet, gegenüber 2008 fast gleich geblieben (Graphik 1). Ein günstiger Versorgungsgrad liegt aber erst bei einer längerfristigen Quote von über zwei Drittel vor – ein Zustand, der seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr erreicht wurde.
Trotz veränderter ökonomischer und demographischer Bedingungen ist 2009 die angespannte Lage auf dem Ausbildungsmarkt im Vergleich zum Vorjahr insgesamt nahezu unverändert geblieben. Dies dokumentiert auch die Angebots-Nachfrage-Relation an Lehrstellen, ein weiterer Indikator zum Ausbildungs- und Arbeitmarkt (ANR, Glossar). So stieg die ANR im Vergleich zum Vorjahr deutschlandweit lediglich um 0,7 Prozentpunkte auf 89,9. Immer noch deutlich weniger als ein rechnerisches Gleichgewicht, das bei 100 liegt. Eine wirklich „günstige“ Lehrstellensituation besteht hingegen erst bei einer ANR von deutlich über 100.
Besonderheiten des regionalen Ausbildungsmarktes
Besonders in den östlichen Ländern wirkte sich 2009 der demographische Wandel massiv auf den Ausbildungsmarkt aus. So verringerte sich die Zahl der Schulabgänger und Schulabgängerinnen innerhalb eines Jahres in Ostdeutschland um rund 15%: Verließen 2008 noch 157 Tsd. Jugendliche die Schulen, waren es 2009 lediglich noch 134 Tsd. Demzufolge sank in sechs der 35 ostdeutschen Arbeitsagenturbezirke die Nachfrage nach Lehrstellen gegenüber dem letzten Jahr um mehr als 20% (BIBB 2010). Da der demographisch bedingte Nachfragerückgang den Schwund an Lehrstellen noch übertraf, verbesserte sich letztendlich die Lehrstellensituation für Jugendliche im Osten; so stieg die ANR zwischen 2008 und 2009 von 91,3 auf 94,3 (Graphik 2).
Den gravierenden Rückgang ostdeutscher Schulabgängerzahlen macht auch der folgende Vergleich deutlich: Während es im Jahr 2001 noch 175 Tsd. nicht studienberechtigte Schulabgänger und Schulabgängerinnen gab, sank diese Zahl bis 2009 um mehr als die Hälfte auf unter 80 Tsd. – dieser Schrumpfungsprozess wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Insofern überrascht es nicht, dass viele ostdeutsche Regionen trotz geringerer Wirtschaftkraft deutlich besser bei der Lehrstellenbilanz abschnitten als westdeutsche (Karte 1). So wiesen Mecklenburg-Vorpommern (97,9) und Sachsen-Anhalt (96,6) die günstigsten Werte auf.
Neben der demographischen Entwicklung spielt in Ostdeutschland nach wie vor auch der hohe Anteil an öffentlich finanzierten, außerbetrieblichen Lehrstellen eine Rolle, die in den neuen Ländern als Ausgleich für fehlende betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen wurden. Fast jede vierte Lehrstelle in den neuen Ländern wurde 2009 öffentlich finanziert bzw. bezuschusst, in den alten Ländern betraf dies lediglich jede zwanzigste.
Ausbildungsmarkt im Osten deutlich günstiger
Die Karte zum regionalen Ausbildungsmarkt 2009 zeichnet ein sehr differenziertes Bild (Karte 1). Die noch vor wenigen Jahren nachweisbare deutlich schlechtere Lehrstellensituation in den neuen Ländern (Burdack 2007, Bode/Burdack 2008) besteht nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Unter den insgesamt 16 Arbeitsagenturbezirken mit sehr ungünstigen Bedingungen (ANR < 80) befand sich kein ostdeutscher. Diese lagen ganz überwiegend in Nordwestdeutschland und dem Ruhrgebiet. Lediglich vier der insgesamt 176 Bezirke wiesen einen rechnerischen Überschuss an Lehrstellen auf. Dazu zählten neben der Region München, die traditionell zu den wirtschaftsstarken Regionen gehört, auch die deutlich wirtschaftsschwächeren Regionen Halberstadt, Neuruppin und Stralsund.
Arbeitsmarkt im Westen deutlich günstiger
Während im Osten der Ausbildungsmarkt und der Übergang von der Schule in die Berufsausbildung nicht zuletzt aufgrund der außerbetrieblichen Lehrstellen und des massiven Einsatzes staatlicher Mittel noch vergleichsweise günstig ist, ist dort der allgemeine Arbeitsmarkt für junge Menschen aufgrund der geringeren Wirtschaftskraft nach wie vor deutlich schlechter als in weiten Teilen Westdeutschlands. Dies dokumentieren auch die relativ hohen Arbeitslosenquoten der Jugendlichen unter 25 Jahren (Karte 2), die stark mit der Gesamtarbeitslosigkeit korrelieren. Nach erfolgreich abgeschlossener Lehre einen dauerhaften und qualifikationsgerechten Arbeitsplatz zu bekommen, ist für Jugendliche in Ostdeutschland immer noch schwierig. Der Mangel an Arbeitsplätzen führt folglich nicht nur zu hoher Jugendarbeitslosigkeit, sondern weiterhin auch zur Abwanderung qualifizierter Jugendlicher aus den ostdeutschen Schrumpfungsräumen zu Gunsten westdeutscher Wachstumsregionen (Friedrich 2008, Schultz 2009).